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Mentalisierungsbasierter Ansatz

Modul der Weiterbildung „Systemische Therapie“ im dritten Jahr

Frankfurt. Das Systemische Zentrum bietet jetzt „Mentalisierungsbasiertes Arbeiten (MBA)“ als integralen Lehrbestandteil im letzten Jahr der 3-jährigen Weiterbildung „Systemische Therapie“ an. Der Behandlungsansatz MBA integriert psychodynamische, systemische, klientenzentrierte und dialektisch-behavoriale Therapieansätze Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie, Psychotraumatologie und der Bindungstheorie fließen ebenfalls in das Konzept ein, das heute breit anwendbar scheint und in unterschiedlichen Therapiekontexten zum Einsatz gelangt. MBA kann Erzieher*innen in Kindergärten ebenso nützliche Hilfestellung leisten wie Eltern, Adoptiveltern, Paaren, Familien oder Kindern und Jugendlichen. Klinische Kontexte, therapeutische Einzelsettings und vor allem Mehrpersonensysteme (Familien/Gruppen/Teams) profitieren nachhaltig von MBA.

Den Mentalisierungsbasierten Ansatz haben Prof. Dr. Peter Fonagy, englischer Psychologe und Psychiater, sowie der englische Psychiater und Psychoanalytiker Prof. Dr. Anthony W. Bateman aus der Bindungstheroie vor rund 25 Jahren weiterentwickelt - für die Behandlung besonders komplexer psychischer Störungen wie Borderline oder der Antisozialen Persönlichkeitsstörung.

Ausgangspunkt des Mentalisierungsbasierten Arbeitens (MBA) ist die Frage: Wie wird das Selbst eigentlich zum Ich? Das Verständnis des eigenen Ichs sowie die Fähigkeit der Selbstregulation und Selbstberuhigung in den ersten Lebensjahren erwerben wir durch mentalisierungsbasierte Interaktionen mit unseren primären Bindungspersonen. Wenn Mütter oder Väter den Blick, die Emotion, die Erregung, den Stress, die Freude usw. des Babys kongruent spiegeln, kann das Baby und Kleinkind durch diese Bindungsbrücke immer mehr eine frühe Form des Selbst erfühlen und erspüren (prämentalisierender Modus). Es kann, so würde es Peter Fonagy ausdrücken, „ein epistemisches Vertrauen“ entwickeln. Das „wissende Vertrauen“ ist der Mutterboden, auf dem die Fähigkeit zur Mentalisierung wachsen kann. 

Der sensible Entwicklungsprozess beginnt unmittelbar nach der Geburt. Auf der Grundlage einer sicheren Bindung zu den primären Bindungspersonen entwickelt der Mensch eine erste positive Beziehung zu sich und seiner Umwelt. In einer sicheren Umgebung ist es dem Säugling und Kleinkind möglich, sich auf die vorsprachliche Kommunikation mit seinen Bezugspersonen zu konzentrieren. Diese Kommunikation wird bei Kindern, die noch nicht fähig sind, zu sprechen, im Blick- und Hautkontakt und mit Hilfe von Lauten und Gesten geführt. Dabei steht der Austausch von Affekten im Vordergrund. Meist gelingt es den Eltern intuitiv, in einen solchen Austausch zu gelangen, der im Idealfall dazu führt, dass sich die Selbstberuhigungsfähigkeit des Säuglings entwickelt.

Mentalisieren: Lesen mentaler Zustände – der eigenen und der anderer Menschen
„Wir mentalisieren, wenn wir uns bewusstmachen, was in einem anderen Menschen vorgeht. Oder auch, was in uns Selbst vorgeht. Wir interpretieren automatisch das Verhalten von uns und anderen. Dies gelingt manchmal besser und manchmal schlechter. In einem reflexiven Modus können wir bewusst uns und andere mentalisieren“, erklären Silvia Vater und Roman Hoch, Lehrende und Dozent für Systemische Therapie am Systemischen Zentrum der Wispo AG.

Was aber, wenn die Fähigkeit zur Mentalisierung wenig ausgebildet wurde? Silvia Vater und Roman Hoch wissen: „Es muss nicht unbedingt eine psychische Störung vorliegen. Bereits erhöhter Stress behindert das Mentalisieren!“. Wenn Menschen im Zustand hoher Erregung sind, ist ihre Fähigkeit zur Integration von Kognitionen und Affekt eingeschränkt. Die Folge: Wir können nicht mehr differenzieren, in welchem mentalen Zustand wir und der Andere sind. Auch der Wechsel zwischen automatischem und explizitem Mentalisieren wird erschwert. Besonders in therapeutischen Prozessen wird es elementar wichtig, auf Mimik, Augenkontakt und Resonanz mit dem Gegenüber geschult zu sein und die eigenen Interpretationen gut reflektieren zu können.

„Therapeut*innen dürfen ihre Mentalisierungsfähigkeit wahren und schärfen, um selbst hilfreich sein zu können“,so Silvia Vater und Roman Hoch. Die beiden, Lehrende und Dozent des Systemischen Zentrums, haben den Mentalisierungsbasierten Ansatz in das Curriculum der Systemischen Therapie aufgenommen, um die Teilnehmer*innen für ihre berufliche systemische Praxis gut auszurüsten. Mentalisierungsbasierte Interventionen sind therapeutisch immer dann indiziert, so Silvia Vater und Roman Hoch, wenn Menschen viel zu stark oder eben viel zu wenig mentalisieren. Das Anna Freud National Centre for Children and Families, London, empfiehlt MBA für Klientensysteme mit folgenden Diagnosen:

• Persönlichkeitsstörungen (Folgebilder bindungstraumatischer Erfahrungen)
• (Komplexe) traumatische Belastungsstörungen
• Somatoforme und Angststörungen
• Depressionen
• Essstörungen
• Schizophrenie
• Substanzabhängigkeit (Komorbidität)
• Störungen des Sozialverhaltens, der Aufmerksamkeit mit oder ohne Hyperaktivität, Autismus-Spektrum, Bindungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

Die wispo AG (Wissenschaftliches Institut für Systemische Psychologie und Organisationsentwicklung) bietet mit dem Systemischen Zentrum seit 30 Jahren hochwertige Weiterbildungen und Seminare in der Erwachsenenbildung an. Der Schwerpunkt der Angebote liegt auf der Vermittlung von Beratungs- und Coachingkompetenz für Mitarbeiter*innen aus der sozialen und freien Wirtschaft. An den Standorten in Berlin, Hamburg, Leipzig, Bonn, Frankfurt, Wiesbaden, Stuttgart und München betreut das Systemische Zentrum jährlich mehr als 600 Teilnehmer*innen. Die Qualifizierungen sind vom größten deutschen Verband für Systemisches Arbeiten, der DGSF (Deutschen Gesellschaft für Systemische Familientherapie, Beratung und Therapie www.dgsf.org), anerkannt. Auch moderne Lernformen wie ‚Webinare‘ finden bei der wispo AG statt.